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Beschreibung
‚Schlager im Spiegel der Zeit – 1955‘ Es wird wieder Marsch geblasen Zehn Jahre nach dem Krieg waren noch längst nicht alle deutschen Soldaten aus sowjetischen Gefangenenlagern entlassen. Deshalb reiste der 79jährige Bundeskanzler Konrad Adenauer nach Moskau, um diplomatische Beziehungen mit dem …
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‚Schlager im Spiegel der Zeit – 1955‘ Es wird wieder Marsch geblasen Zehn Jahre nach dem Krieg waren noch längst nicht alle deutschen Soldaten aus sowjetischen Gefangenenlagern entlassen. Deshalb reiste der 79jährige Bundeskanzler Konrad Adenauer nach Moskau, um diplomatische Beziehungen mit dem Kreml zu vereinbaren und so die letzten Deutschen aus Sibirien zurückzuholen. Seltsamerweise hatte man im selben Jahr keine Probleme damit, wieder eine eigene Armee in der Bundesrepublik aufzubauen. Die Bundesrepublik war jetzt souverän, die Besatzungszeit offiziell beendet. Hand in Hand damit ging die Aufnahme Westdeutschlands in die NATO. Der Militarismus saß dem Volk ohnehin noch tief in den Knochen. Das läßt sich sehr schön an einer Debatte ablesen, die der ‚Automaten-Markt‘ zum Thema Badenweiler führte. Die Plattenindustrie, die zwar noch ausweichend auf die Frage reagierte, ob denn „wegen Nachfrage aus dem Ausland“ die NSDAP-Hymne Horst-Wessel-Lied wieder veröffentlicht werden könne, hatte keine Bedenken, den Badenweiler, Hitlers Lieblingsmarsch, auf Platte neu herauszubringen. Der Marsch tauchte selbstverständlich auch in Musikboxen auf, wovon Gaststättenbesucher, die das Unrechts- und Schreckensystem in Erinnerung hatten, nicht begeistert waren. Das Automaten-Branchenblatt hatte den Vorteil, einen Experten vor Ort dazu befragen zu können. Der Braunschweiger Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer ließ in seiner Stellungnahme keine Zweifel zu: „Wenn sich ein Staatsbürger durch das Abspielen dieses oder eines ähnlichen Liedes belästigt fühlt und Anzeige erstattet, wird die Sache verfolgt… und unter Anklage gestellt.“ Als ähnliche Lieder zählte er das Horst-Wessel-Lied, Bomben auf Engeland, Siegreich wollen wir Frankreich schlagen und Volk ans Gewehr auf. Seine Expertise wurde noch durch eine niedersächsische Verordnung gestützt, wonach Lieder und Musikstücke, die „Erinnerung an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft wachrufen oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen“, verboten waren. Bauer, der in der Nazizeit im Konzentrationslager eingesperrt war, stellte allerdings eine löbliche Ausnahme in der Nachkriegsjustiz dar. Ihm war es auch zu verdanken, daß es später in Frankfurt zu den Auschwitz-Prozessen kommen konnte. Alt gegen neu Der Badenweiler Marsch blieb in den Musikboxen nur eine vorübergehende Episode, wie die Marschmusik insgesamt. Die Parodie Pack den Badenweiler aus erreichte schon ein breiteres Publikum. Am Drücker der Musikboxen hatten hauptsächlich Vertreter der jüngeren Generation ihre Finger, die Moderneres hören wollten. Die Automatenaufsteller sprachen sich jetzt immer häufiger dafür aus, ihr ohnehin schon gutes Geschäft durch eine Preiserhöhung von 10 auf 20 Pfennig pro Titel noch lukrativer zu machen. Neuerungen gab es auch in diesem Jahr wieder auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Eine wesentliche kündigte sich in den Kinos der Republik an. Mit ‚Die Saat der Gewalt‘ kam im Herbst eine völlig neue Kombination aus Jugendfilm und Jugendmusik in unser Land. Bill Haleys im Film eingesetztes Rock Around The Clock lockte das Publikum genauso an wie die Darsteller Vic Morrow und Sidney Poitier. James Dean, jünger als die beiden Kollegen, hatte mehr das Zeug zum neuen Jugendidol, auch wenn ‚Jenseits von Eden‘ noch nicht so viel Emotionen weckte wie ‚…denn sie wissen nicht, was sie tun‘. Schauspieler Matthias Fuchs, mit Heidi Brühl im Film ‚Die Mädels vom Immenhof‘ (die Filmmusiken sind auf der Bear Family BCD 16644: Für immer – Immenhof) auf der Leinwand zu sehen, hatte im Vergleich zu Dean den Appeal eines Musterschülers. Es herrschte noch Ruhe vor dem leichten Wind, der die Gesellschaft in den kommenden Jahren bewegen sollte. Die Deutsche Lufthansa eröffnete mit einem Flug von Hamburg nach München den Linienverkehr und ließ Phantasien von Reisen in die weite Welt aufkeimen. Beflügelt wurden die von dem gerade erschienenen Buch ‚Ich radle um die Welt‘ über Heinz Helfgens sensationelles Unterfangen, mit dem Fahrrad im Alleingang durch fremde Länder zu strampeln. Wie es jenseits der Grenzen aussah und zuging, konnten die Zu-Hause-Gebliebenen im Kino in der ‚Wochenschau‘ sehen. Auch am häuslichen Herd tat sich Beachtliches: Wer etwas auf sich hielt, bereitete für Gäste statt Eisbein einen Toast Hawaii zu – nach dem neuen Rezept des Fernsehkochs Clemens Wilmenrod. Der Name des Gerichtes hatte natürlich etwas mit dem Fernweh der Nachkriegsdeutschen zu tun, das sich schon in den Hawaii-Liedern manifestiert hatte, kam aber ganz simpel von dem Ananasring, der mit Schinken und Käse auf einem Toastbrot überbacken wurde. In der Werbung bediente die Mutti mit solchen Kreationen stolz ihre Fam…
EAN:4000127171856
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